Am Anfang des Projektes stand die Frage, was man aus einer unternutzten Parzelle von 1240 m² Größe mit einem schlecht gebauten Einfamilienhaus, Baujahr 1977, anstellt. Grundstück und Haus – damals noch auf freiem Feld am Dorfrand – wurden 1992 von einer jungen Familie erworben. 1997 wurde das Gebiet eingezont. Ein völlig neues Quartier entstand. Das Leimental ist ein attraktives Siedlungsgebiet vor den Toren Basels. Der Entscheid zum Bau eines ökologischen Mehrfamilienhauses fiel 2007. „Das Haus sollte ohne fossile Energie betrieben, mit natürlichen Baumaterialien sowie alters- und behindertengerecht gebaut sein“, sagt Initiant Benedikt Rotach. Man machte sich auf die Suche nach Interessenten.
Viele habe die unkonventionelle Bauweise mit Stroh und Lehm abgeschreckt, berichtet Rotach. Nach anderthalb Jahren Suche waren die fünf bauwilligen Parteien beisammen. Trotz ökologischem Konsens gaben Details, Kostenverteilung und Wertquoten viel zu diskutieren, bis die Pläne definitiv waren und die Verträge unterschrieben. Vom Garten abgesehen gibt es keine gemeinschaftlichen Räume. Das Haus verfügt über zwei Maisonnettewohnungen, zwei Etagenwohnungen und ein Attika-Geschoss. Die Nettowohnflächen der Wohnungen liegen bei 115 bis 140 m².
Baumaterial aus der Umgebung
Zentral war die Verwendung von Baumaterialien mit guter Ökobilanz. «Zur Herstellung und Verarbeitung benötigen sie wenig graue Energie, zudem werden keine weiten Transportwege zurückgelegt», verdeutlicht Architekt Rainer Hettenbach. Idealerweise stammen die Baustoffe aus der näheren Umgebung des Bauplatzes. So konnte die Speichermasse Lehm teilweise direkt dem Baugrund des Grundstücks entnommen werden. Und das nachwachsende Stroh wurde in der Nachbargemeinde beschafft. Die Strohballen wurden ein Jahr trocken gelagert und konnten unbehandelt verbaut werden. Stroh garantiert eine hochwertige Wärmedämmung. Das Gebäude in Therwil ist das derzeit grösste mit Strohballen gedämmte Haus in der Schweiz. Die natürlichen Baustoffe Holz, Lehm und Stroh haben einen grossen Vorteil; sie können wiederverwertet oder rezykliert werden. «Ökologisch bauen verursacht viel weniger Abfall»; sagt Hettenbach. Vor allem sei der Bauabfall viel kleiner. Hettenbach beziffert die Menge Bauabfall mit etwa einem Fünftel eines vergleichbaren konventionell gebauten Hauses.
Die Holzlattenschalung der hinterlüfteten Fassade schimmert in einem natürlichen, vorvergrauten Silberton. Sie weist eine gute Beständigkeit auf und ist eine Alternative zur natürlichen Verwitterung, die meist unregelmässig erfolgt. Die Grundkonstruktion des Hauses besteht aus Holzständern. Die aus Fichte hergestellten Brettstapel-Elemente für Zwischenwände, Böden und Dach sind nur mit Holzdübeln zusammengefügt. Die Elemente tragen auch zur Erfüllung der gesetzlichen Schallschutz-Anforderungen bei. Die Platten sind formaldehydfrei verleimt, so dass sie die Innenraumluft nicht belasten. Insgesamt sind die Wände 55 cm dick. Die Innenwände weisen einen 6 cm dicken Putz aus lokalem Lehm auf. Darin sind die Elektroinstallationen und zum Teil auch die Register der Wandheizung eingebettet. Lehmwände regulieren die Luftfeuchtigkeit ideal, und sie absorbieren Lärm. Die in Holz/Metall ausgeführten Fenster sind dreifachverglast. Ein Teil der Böden in den Wohnungen trägt einen Belag aus Kalk und Mörtel; es ist der gleiche Boden wie im vor 1000 Jahren gebauten ersten Basler Münster.
Atmendes Gebäude
Die Anwendung von Lehm erfordert von den Handwerkern hohe Materialkenntnis und Geschick. Trotz den zahlreichen Vorzügen gilt Lehm unter Architekten und Bauschaften immer noch als exotischer Baustoff. Konventionelle Baustoffe wie Beton oder Backsteine sind nach wie vor Standard. Viele industriell hergestellte Lehmprodukte kommen heute aus Deutschland und den Niederlanden. Der Preis für das ökologische Bauen mit Lehm liegt rund 10 bis 15% höher als für gute konventionelle Bauweise.
NZZ Online, Stefan Hartmann, 18.7.2010