In diesem Beitrag wird die Planung, Durchführung und Auswertung von experimentellen Versuchen zur horizontalen Lastabtragung in Wänden aus hochverdichteten Strohballen vorgestellt. Ziel der Untersuchungen ist es, das Last-Verformungs-Verhalten von in ihrer Ebene belasteten Strohwänden besser zu verstehen. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt mit Hilfe klassischer mechanischer und moderner optischer Messmethoden. Zur Untersuchung des Reibschlusses zwischen den Strohballenschichten und des Einflusses von Vertikallasten wird bewusst auf den Einsatz von mechanischen Schubverbindern verzichtet.

Ergebnisse: Die durchgeführten Versuche tragen zu einem besseren Verständnis der Mechanismen der horizontalen Lastabtragung in Strohballenwänden ohne zusätzliche Verstärkung durch mechanische Bindemittel oder Putzschichten bei. Die Ergebnisse zeigen, dass der Kraftfluss in locker gestapelten Strohballen vor allem durch Reibung in den horizontalen Fugen gewährleistet wird. Es treten irreversible Verformungen auf, deren Höhe und Verteilung über die Wandhöhe stark von vertikalen Auflasten und den damit verbundenen Normalspannungen beeinflusst werden. Trotz der auftretenden großen Verformungen ist die Lastabtragung innerhalb der Wand weitgehend zerstörungsfrei. Durch Beanspruchung in umgekehrter Richtung kann die Wand in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, ohne dass die Tragfähigkeit oder Stabilität beeinträchtigt wird.
Die prinzipielle Eignung der Strohwand zur horizontalen Gebäudeaussteifung kann durch den Vergleich der bei den Versuchen aufgebrachten Horizontalkräfte mit den berechneten Windlasten aus Abbildung 4 nachgewiesen werden. Aufgrund der großen Verformungen im Bereich der maximalen Kräfte erscheint jedoch eine Bemessung allein auf der Grundlage der Tragfähigkeit als ungeeignet. Eine sichere Bemessung sollte daher auch Verformungsbegrenzungen nach Kriterien der Lagesicherheit oder Gebrauchstauglichkeit berücksichtigen.
Die vorgestellten Versuche zeigen vielversprechende Ergebnisse und sind damit Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zur horizontalen Aussteifungswirkung von Wänden aus Strohballen. Durch die Möglichkeit der zerstörungsfreien Wiederherstellung eines definierten Ausgangszustandes nach zuvor aufgebrachten irreversiblen Verformungen sind mit einer begrenzten Anzahl von Versuchsaufbauten umfangreiche Untersuchungen zum Einfluss vertikaler Auflasten bei der horizontalen Lastabtragung möglich. Die Überlagerungslast kann dann z.B. durch Vorspannung des Wandkopfes gegen das Prüffeld aufgebracht und beliebig variiert werden.
Aus den experimentellen Untersuchungen lassen sich Ansätze für zusammengesetzte Spannungs-Schlupf-Beziehungen in den Horizontalfugen ableiten, die als Grundlage für analytische und numerische Modellierungen dienen. Neben Untersuchungen zu den Mechanismen der horizontalen Lastabtragung in unbewehrten Strohwänden sind auch experimentelle Untersuchungen zur Verstärkung der Fugen durch mechanische Bindemittel denkbar. Im Sinne einer unkomplizierten Bauweise sollten einfache Verbundmittel, wie z.B. Nagelbretter, komplexen Bewehrungs- oder Vorspannmethoden vorgezogen werden. komplexe Bewehrungs- oder Vorspannsysteme.

Autoren: Christopher Taube (Bauhaus-Universität Weimar); Hans-Georg Timmler; Florian Hoppe; Guido Morgenthal

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