wandsysteme-aus-nachwachsenden-rohstoffenNeben einem guten Marketingkonzept ist eine erfolgreiche Einführung neuer Produkte in den Markt der Bauprodukte von der technischen Zulassung abhängig. Ziel dieser Arbeit ist es, die innovative Strohballenbauweise vom Versuchsstadium in das professionelle Stadium zu führen und ihre Markteinführung durch die Bereitstellung der notwendigen Produktzertifikate, Werkzeuge für ein effizientes und effektives Qualitätsmanagement und optimierte, passivhaustaugliche Konstruktionen zu unterstützen. Daher wurden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf drei verschiedenen Ebenen durchgeführt:

Gebäudetechnische Prüfungen zur Erlangung von Zertifikaten für Feuerbeständigkeit und Wärmedämmung, um die Kriterien der österreichischen und europäischen Bauvorschriften zu erfüllen.
Optimierung von Strohballenwandsystemen und Verbindungen von Bauteilen
Entwicklung eines mobilen Strohballen-Prüflabors als Instrument zur Gewährleistung eines effizienten und
effektives Qualitätsmanagement vom Feld bis zum Strohballenhaus.

Die verwendete Pfosten-Riegel-Strohballen-Konstruktion wurde in der Magistratsabteilung 39 – Prüf- und Forschungsanstalt der Stadt Wien getestet und führte zu außergewöhnlich guten Ergebnissen hinsichtlich Wärmedämmung und Feuerbeständigkeit. Die Wärmedämmung von Strohballen wurde bereits in den USA getestet.

Aus diesen Ergebnissen wurde eine spezifische Wärmeleitfähigkeit von etwa (λ ; SI-Einheit: W/mK) 0,05 W/mK erwartet. Damit wäre ein λ von 0,06 W/mK möglich, wenn man den in Österreich vorgesehenen 20%igen Feuchtigkeitszuschlag für organische Materialien berücksichtigt. Die tatsächlichen Testergebnisse zeigten eine noch geringere spezifische Wärmeleitfähigkeit von λ =0,0337 W/mK und 0,0380 W/mK. Strohballen mit 20% Feuchtigkeitszusatz ergaben folgende Eigenschaften:
λ-Wert von 0,0404 W/mK und 0,0456 W/mK

Der erste Wert wurde nach ISO 8301:1991 (Wärmedämmung – Bestimmung des stationären Wärmewiderstandes und damit zusammenhängender Eigenschaften – Wärmestrommessgerät) gemessen, der zweite nach ÖNORM B 6015 Teil 1 (Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit mit dem bewachten Heizplattengerät). (Bescheinigungen siehe Anhang). Diese Prüfergebnisse bestätigen die hohe Leistungsfähigkeit der Wärmedämmung von Strohballen.

Der Feuerwiderstand des Baumaterials – der Strohballen – und des Bauteils – des Strohballenwandsystems – wurde geprüft. Die Baumaterialien werden in 4 verschiedene Gruppen eingeteilt:

A nicht brennbar
B1 schwer brennbar
B2 normal brennbar
B3 leicht brennbar

Um Baustoffe ohne gesetzliche Einschränkungen verwenden zu können, ist eine Bescheinigung über die Brennbarkeitsdauer von B2 erforderlich. Bauteile werden in F30, F60, F90 eingeteilt, was bedeutet, wie viele Minuten das Bauteil dem Feuer widersteht. Bereits durchgeführte Tests in den USA kamen zu dem Ergebnis, dass der Sauerstoffmangel in den gepressten Strohballen für die hohe Feuerbeständigkeit verantwortlich ist. Diese Erfahrungen wurden mit den im Rahmen des Projekts durchgeführten Versuchen bestätigt. Der Strohballen und das Strohballenwandsystem wurden nach ÖNORM B3800 geprüft (Zertifikate siehe Anhang).

Der Strohballen wurde als B2 und das geprüfte Strohballenwandsystem als F90 eingestuft. Diese hervorragenden Prüfergebnisse zeigen, daß hochfeuerbeständige Konstruktionen ohne chemische Behandlung der Strohballen realisiert werden können. Die Vermeidung von Fehlerquellen und die Optimierung von Bauteilanschlüssen ist unerlässlich, um eine hohe Funktionalität der Produkte zu gewährleisten und den Passivhausstandard langfristig zu sichern. Deshalb wurden 8 verschiedene Wandsysteme, basierend auf der Strohballenwand (Holzrahmenbau mit Strohballenfüllung), weiterentwickelt und optimiert.
Konstruktion 1: Strohballenwand, außen belüftet, innen Gipskarton
Konstruktion 2: Strohballenwand, außen belüftet, innen Lehmputz
Konstruktion 3: Strohballenwand, außen hinterlüftet, innen Hourdis-Stein
Konstruktion 4: Strohballenwand, außen hinterlüftet, innen Lehmplatten
Konstruktion 5: Strohballenwand, außen verputzt, innen Gipskarton
Bauart 6: Strohballenwand, außen verputzt, innen Lehmputz
Konstruktion 7: Strohballenwand, außen verputzt, innen Hourdis-Ziegel
Konstruktion 8: Strohballenwand, außen verputzt, innen Lehmplatten

Alle diese Konstruktionen erfüllen die Passivhausstandards. Die Berechnung der Wärmespeicherkapazität zur Vermeidung von Überhitzung zeigt niedrige bis mittlere Werte. Die diffusionsoffenen Konstruktionen vermeiden Feuchtigkeitsprobleme innerhalb der Wand und ermöglichen sogar eine schnelle Trocknung nach unerwarteten Wasserschäden. Die Schalldämmung ist bei zweischaliger Bauweise ausreichend. Einschalige Konstruktionen sind noch optimierungsbedürftig. Die gewählten Konstruktionsbeispiele können problemlos luftdicht ausgeführt werden. Der Feuerwiderstand beträgt ohne weitere Anpassungen F90. Die Anschlüsse der Strohballenwand an die anderen Bauteile können wärmebrückenfrei ausgeführt werden. Wasser- und Elektroinstallationen verursachen keine Schäden an der Luftdichtheitsschicht. Anschlüsse der Strohballenwand an Fenster, Decke und Keller können Passivhausstandards erfüllen.

Um eine hohe Qualität des Baustoffs Stroh zu gewährleisten, muss ein effizientes und effektives Qualitätsmanagement aufgebaut werden. In dieser Hinsicht ist die Entwicklung eines mobilen Prüflabors für Strohballen der erste große Schritt. Die Prüfanlage ist für die Analyse und Bewertung der Qualität der Strohballen zuständig. Sie ermöglicht auch die Messung aller relevanten Parameter der Ballen. Gemessen werden Ballengröße, Gewicht, Temperatur und Feuchtigkeit. Außerdem werden Farbe, Form, Homogenität, Reinheit des Ballens und das Auftreten von Schimmelpilzen von der Prüfperson analysiert und bewertet. Die Messgeräte passen in einen speziell entwickelten Koffer.

Testreihen des Labors haben zur Anpassung und Optimierung der Messgeräte geführt und deren Funktionalität bewiesen. Mit dem Labor steht ein Prüfmittel zur Verfügung, das während des gesamten Produktionsprozesses vom Feld bis zum Strohballenhaus leicht anwendbar und zuverlässig ist. Ein wichtiger Punkt des Qualitätsmanagements ist die Vermeidung von schädlichen Tieren und Insekten während der Lagerung der Ballen und der Errichtung des Gebäudes. In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß es keine derartigen Probleme wie Mäuse und Insekten gibt, wenn die Strohballenbauten ordnungsgemäß ausgeführt werden. Außerdem heißt es, daß sauberes Stroh ein geringes Allergiepotential aufweist.

Dennoch ist es wichtig, qualitativ hochwertige Strohballen und ordnungsgemäße Konstruktionen zu verwenden, da schlecht konstruierte Gebäude und die Verwendung von feuchten Strohballen oder das ständige Eindringen von Wasser in die Wand zu Schimmelbildung führen und die Nutzungsdauer und den Komfort der Bewohner erheblich verringern können.

Die Ergebnisse der Studie lassen den Schluß zu, daß der Strohballenbau ein sehr hohes Entwicklungspotential hat, was bereits in Studien aus den USA aufgezeigt wurde. Mit diesem Projekt werden die technischen Grundlagen für den Strohballenbau geschaffen und
notwendige Zertifikate unterstützen die Markteinführung dieses ökologischen Baustoffs. Damit wird dieser innovative Baustoff dem Passivhaussektor zur Verfügung gestellt. Die Studie „Fördernde und hemmende Faktoren für nachwachsende Rohstoffe im Bausektor“ weist darauf hin, dass der Strohballenbau in viel mehr Bereichen als nur im Einfamilienhausbau eingesetzt werden kann. Diese Feststellung führt zu weiteren F&E-Fragen, die bearbeitet werden müssen, um das volle wirtschaftliche Potential des Strohballenbaus zu ermöglichen.

Die F&E-Arbeiten umfassen die folgenden Punkte:

Verbesserung der Verbreitung des Strohballenbaus
Erweiterung der Vielfalt der Strohballenbauweise hinsichtlich Technik und Design
Verbesserung der Verfügbarkeit von Strohballen in der gewünschten Menge und Qualität
Erschließung des gesamten regionalen Potenzials des Strohballenbaus
Maximierung der regionalen Wertschöpfung durch lokale Unternehmer und Landwirte
Effiziente Kooperationsstrukturen für den Strohballenbau
Langfristige Tests

Mit dem aktuellen Projekt „S-Haus“ im Rahmen der Ausschreibung „Haus der Zukunft“ wird ein Strohballen-Demonstrationsprojekt umgesetzt, das auf den Ergebnissen dieses Projektes aufbaut. Das „S-Haus“ wird dazu beitragen, alle relevanten Informationen über Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen und ökologisch sinnvolle Konstruktionen zu verbreiten.
Projektleiter: Robert Wimmer (GrAT)
Gruppe Angepasste Technologie (GrAT): Hannes Hohensinner, Luise Janisch
in Kooperation mit dem Österreichischen Strohballen-Netzwerk asbn, Herbert Gruber; StrohTec GesmbH, Walter Passauer
Kapitel „Fehlerquellenanalyse und Anschlussdetails“ in Zusammenarbeit mit IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und Ökologie
Termin: Wien, Januar 2001

Vollständige Studie: LESEN WEITER

Anhang: LESEN WEITER #BUILDING PHYSICS#FIRE RESISTANCE, SAFETY#straw bale#Straw Bale Building#THERMAL INSULATION